Zeugnisse Marc Kardinal Ouellet „Von Jesus Christus ergriffen" Mit 18 Jahren interessierte ich mich für Sport und war für den Ruf Gottes eher taub, doch wie beim Heiligen Ignatius von Loyola änderte ein gebrochenes Bein den Lauf meines Lebens. Ich begann, die „Nachfolge Christi" zu meditieren und danach die „Einführung in das Leben aus christlichem Glauben" des Heiligen Franz von Sales. Gott brachte mich also dazu, ans Priesteramt zu denken, indem er in mir den Wunsch weckte, meinen Mitmenschen zu helfen, den religiösen Sinn des Lebens zu entdecken. Ich war das dritte von acht Kindern einer christlichen Familie. Meine Eltern und Großeltern waren die Pioniere von Abitibi, einer ländlichen Bergbauregion im Nordwesten der Provinz Quebec. Die gläubige und freie Atmosphäre in meiner Familie hat meine Berufung gefördert. Als junger Mensch war ich fasziniert von der Astronomie, der Geschichte und der Literatur. Die Jagd, der Fischfang, und auch Eishockey, der Nationalsport der Kanadier, haben mich begeistert. Ich schulde einem vorbildlichen Priester viel, der für einige Jahre mein geistlicher Begleiter war und durch den ich ins Priesterseminar nach Montreal kam. Dank seiner und dank meiner Ausbilder des St.-Sulpice-Priesterseminars, lernte ich Jesus lieben, der im Johannesevangelium spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Joh 14,6). Ein kleines Buch von Hans Urs von Balthasar, „Das Herz der Welt" bestimmte schließlich meine Spiritualität und meine theologischen Studien. Am Tag meiner Priesterweihe ergriff mich ein Wort des Heiligen Paulus für den Rest meines Lebens: „Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu erreichen, weil auch ich von Jesus Christus ergriffen worden bin." (Phil 3,12). Dieses Wort hat mich zunächst als Kaplan in einer Gemeinde meiner Diözese begleitet, später als Missionar, dann als Philosophie- und Theologieprofessor, danach beim Aufbau des ökumenischen Dialoges und jetzt als Bischof der Diözese Quebec. Aus der Sicht meines Amtes habe ich wirklich den Eindruck, von einer Aufgabe zur nächsten und von einer Kultur zur anderen gejagt zu sein. Aus der Sicht meines spirituellen Lebens, fällt es mir schwer, das zu beurteilen, aber ich weiß, dass Gott mich auf unvermuteten, manchmal schmerzlichen Wegen ruft, immer verfügbarer zu sein mit Blick auf den Preis, den „Gott uns in Jesus Christus schenkt." (Phil 3,14) Als ich im Mai 1968 zum Priester geweiht wurde, begann mein priesterlicher Dienst in einer Zeit des allgemeinen Protestes, die mich von meinen Weg hätte abkommen oder gar abbringen können, wie es bei vielen Priestern und Ordensleuten der damaligen Zeit der Fall war. Meine Erfahrungen als Missionar, die Freundschaft unter Priestern und die Nähe zu den Armen halfen mir, in den Turbulenzen der postkonziliaren Jahre zu überleben. Nach zwanzig Jahren des Dienstes in St.-Sulpice-Priesterseminaren berief mich der Heilige Vater nach Rom, um am Institut Johannes Paul II. Ehe- und Familienlehre zu unterrichten und später dann tätig zu sein beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Der Aufenthalt in der ewigen Stadt weckte in mir den Ruf, Christus noch stärker nachzufolgen und den evangelischen Räten gemäß zu leben. Wenn ich über meine Berufung nachdenke, muss ich feststellen, dass meine Vorhaben oft durchkreuzt wurden. Die Erfahrung mit dem gebrochenen Bein hat sich auf verschiedene Weise wiederholt und ich musste lernen, Gott und der Kirche im Glauben zu gehorchen. Diese liebevolle Unterordnung, gespeist aus der Quelle des Gebetes, gibt mir eine große Freiheit. Auch wenn ich oft das Gefühl habe, mit meiner Aufgabe überfordert zu sein, überwindet die Freiheit aus dem Glauben meine Zweifel, meine Grenzen und meine Fehler. Die Liebe Christi, die mich ergriffen hat, führt mich ohne Unterlass in der Freude des Glaubens über mich selbst hinaus. Ich danke Gott heute, dass er mich erwählt hat mit seinem großen Erbarmen und ich bin glücklich, den Priesteramtskandidaten des Weltjugendtages 2005 sagen zu können, dass die priesterliche Berufung, so wie die Kirche sie anbietet mitsamt dem aus Liebe übernommenen Zölibatsversprechen, eine wundervolle Art ist, sich als Person zu verwirklichen und den Mitmenschen zu dienen, indem man ihnen Jesus Christus bringt." Marc Kardinal Ouellet |